Als ein Marsch auf Reisen ging ins Reich der Klänge

Eine Satire?

"Ohne werteverteidigenden Kulturkampf ist eine Überwindung des linken Kulturfaschismus nicht möglich." (J.H., 1994) "Am Samstag verließ Minister Michael Schmid endgültig die steirische Landesregierung, machte Platz für Landesrätin Magda Jost-Bleckmann. Die darf nun neben dem Wohnbau auch die Blasmusik-Agenden weiterführen. Akzente setzen will sie vor allem im Bereich der Revitalisierung." (Februar 2000) "Jugendkultur ist anscheinend nicht gefragt. Jedes Blasorchester darf im Stadtgebiet auftreten - wir sollen in den Bunker zurück." (ARGE Jugend, April 2000) "Die geplante Meisterparty von Sturm Graz auf dem Grazer Hauptplatz ist geplatzt. Der simple Grund: 200 Oberlandler treffen sich vor dem Rathaus bei Blasmusik und Flaggenparade." "Sturm-Party gerettet. Die Oberlandler gaben grünes Licht. Die Feier geht mit dem Auftritt einer Blasmusikkapelle los." (Mai 2000) "Meine Aufgabe wird sein, Tuba zu blasen. Damit wir in vier, fünf Fächern weltweit mitspielen können." (Werner Welzig, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Juni 2000) "Wirtschafts-Landesrat Herbert Paierl verzichtete auf das EM-Eröffnungs-Match und griff zur Tuba, um den ebenfalls anwesenden Cellisten zu ,unterstützen'. Der allerdings bat schlußendlich, allein ,geigen' zu dürfen." (Juni 2000) ",Österreich bläst uns den Marsch ...' - Damit spielte das täglich erscheindende Expo-Journal auf die Eröffnung des Österreich-Tages an, bei der die größte Blaskapelle der Welt auftrat." (Juni 2000)

Österreich ist anders! - Als ob wir das nicht schon immer gewußt hätten. Doch keiner hat geahnt, wie sich die Alpenrepublik verändern würde, als der FBÖ Regierungsverantwortung zufiel. Dabei hätten Sonnenfinsternis und Jahrtausendwende allen eine Warnung sein müssen.

Ach ja! Einigen Lesern mag die FBÖ vielleicht unbekannt sein, auch wenn sie von CNN bis Radio Eriwan die Hitparaden gestürmt und selbst Anton und Zlatko verdrängt hat. Die FBÖ sind die "Freunde der Blasmusik in Österreich". Ursprünglich ein Sammelbecken von musizierenden Märzveigerln, dann übernahm der GRÖBLAS den Taktstock. Der liberale Blockflötenflügel wurde hinweggefegt, übrig blieb ein Haufen Pfeifen, denen Metrum und Tonart von oben eingeblasen wird. Gleichklang, Jubelmarsch und Huldigungsmusik - heißt fortan das Bläserprinzip. Und wer anderer Meinung ist, kann nur Freejazzer oder Stromgitarrist sein.

Die FBÖ wurde von allen Seiten nur für Gschaftlhuber gehalten, auch wenn alte und neue Blaskameraden scharenweise den Schalmeientönen hinterherliefen. Der GRÖBLAS spuckte große Töne. Als er gar Volksmusikanten als "anständige Menschen mit Charakter" bezeichnete und "Burschen, spuits auf!" forderte, war der Skandal perfekt. Der aufgeblasene GRÖBLAS musste sogar sein Amt als Landesspielmann in Blasenfurt niederlegen.

Doch die kommen immer wieder - das gilt für Modern Talking wie für die Blasmusikfreunde. Die Protestbläser scharten sich um den Bärenfänger aus dem Rattental. Die Bradlgeiger erwiesen sich nur als Jausengegner und ein Erdrutschsieg führte den Spielmannszug vom Festzelt ins Ballhaus. Jetzt reimen sich Vizekanzlerin, Verteidigungs- und Finanzminister auf Blas(s)er. Zufall? Der GRÖBLAS schreibt die Partitur und dirigiert. Europa reißt erschreckt die Ohren auf. Seitdem verwechselt jedenfalls niemand mehr Austria mit Australien. Eine Tuba ist eben kein Didgeridoo.

Vom Tag der Regierungsübernahme an wurde in "Riesenschritten" "Zu neuen Ufern" aufgebrochen. Die Philharmoniker treten in Lederhose auf; die Lipizzaner haben auf Schuhplatteln umgesattelt. "Euro-Marsch" und "Grenzenlos" wurden aus dem Repertoire gestrichen. Aber keine falsche Vorstellungen: Es werden keine Noten verbrannt, kein Instrument ausgegrenzt, Pauken und Tschinellen sogar gefördert. Bloas und Blazz sind die Trendsetter bei den Szenetigern. Wolfgang Anblas und die Ausseer Hardblaser begeistern auf allen Schützen- und Feuerwehrfesten. "Kuschelblas I" bis "V" hat sich tausendfach verkauft. Falco würde erblas(s)en, wäre er nicht längst tot.

Anfangs gab es noch zaghafte Versuche, Sand ins Gebläse zu streuen. Doch wer nicht hören will - kulturlose Künstler, uneinsichtige Alt-68er und Angehörige der Internet-Generation -, dem wird nicht nur der Marsch geblasen und die Subventionen gestrichen. Die vaterlandslosen Humpen können nun in Blaslagern den Hof hoch und runter marschieren, bis ihnen Hören und Sehen vergeht. Blasmusikkapellen, Trachtenvereine, Heimatfilmer, aber auch Ohren- und Nervenärzte haben Hochkonjunktur. Amerikanische und japanische Touristen jedenfalls sind begeistert. Fremde sind überhaupt gern gesehen - wenn sie tadellos Deutsch reden (mittel- oder südbairische Variante) und den richtigen Rhythmus haben. Bei Negermusik geht's allerdings ab nach Hause - wenn nötig mit Tixoband geknebelt, damit kein falscher Ton die neue Harmonie stört. Mag sein, dass es ein wenig übertrieben anmutet, wenn die Steirer Schwarzafrikaner in Trachtenjankerl zwängen ("Zwangsversteierung") und dies für gelebte Toleranz halten. Aber Integration muss nun mal sein!

Der durchschnittliche Österreicher, vulgo "Der kleine Mann von der Straße", ist eine Frohnatur und findet das durchwegs in Ordnung. Beim morgendlichen Zapfenstreich fallen die sauberen Buam und Maderln mit dem Österreichischen Rundfunk aus dem Bett (Ö3 ist dadurch wirklich erträglicher geworden). Das Handy klingelt im 3/4-Takt. "Jugend musiziert" trompetet es aus dem tiefergelegten Golf. In der TV-Show "Big Brasser" werden zivilisationsgeschädigte Kandidaten in einer Vorarlberger Bauernkate isoliert und mit Alphörnern dauerberieselt. "Haidschibumbaidschi" hat längst den "Bolero" abgelöst. Blasmusik von der Besamung bis zur Einsegnung wird dafür sorgen, daß auch künftige Generationen die Tradition hegen und pflegen.

Manche Blasmusikfreunde finden allerdings nur schwer aus der Opposition in die Regierungsrolle: Die militante BBA, die "Bajuwarische Blas-Armee", hatte Anfang der 90er Jahre Radiostationen in die Luft gejagt und bekennende Blasgegner unter Androhung von Hörsturz zum Jodeln gezwungen. Verrätern in den eigenen Reihen wurde die Kniescheibe weggeblasen, was nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern für den schuhplattelnden Einheimischen auch äußerst demütigend ist. Die Entwaffnung der BBA stagniert mittlerweile und auch die Einbindung in die regulären Streitkräfte gestaltet sich schwierig. Der Versuch, die Blasrevolte ins Ausland zu tragen, kann ebenso als gescheitert gelten: Die IRA hat mit dem Dudelsack ein eigenes Kriegsinstrument und die ETA bevorzugt trotz allem Flamenco und Manana statt Gstanzln und Hackelei.

Neulich war Bill Clinton zu Gast in Wien. "Ich bin auch ein großer Freund vom Blasen", sagte er. Und das war nicht einmal gelogen.

Walkin' T:-)M, Juli 2000